Reportage: Der mühsame Kampf gegen die Schneemassen

Beinahe pausenlose Schneefälle, Lawinenabgänge, umgestürzte Bäume, blockierte Straßen, Schulausfälle und mittlerweile ein immer höheres Gewicht, das auf den Dächern von öffentlichen Gebäuden, Hallen sowie Wohnhäusern lastet. Am zweiten Januar-Wochenende 2019 gilt in fünf bayerischen Landkreisen auch weiterhin der Katastrophenfall. Lauffeuer-online war vor Ort und hat den schwierigen Einsatz der Hilfskräfte in der Region einen Tag lang begleitet.

Ein Konvoi aus sechs Fahrzeugen – vom Mannschaftstransporter bis hin zum voll ausgestatteten Löschgruppenfahrzeug – setzt sich an diesem Freitagmorgen in Bewegung. Die Anfrage der Kreisbrandinspektion ist erst wenige Stunden alt und nun macht sich das Hilfeleistungskontingent aus mehr als 40 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und -männern auf dem Weg in die oberbayerische Gemeinde Aschau im Chiemgau. Die Helfer stammen aus anderen, weniger schneebelasteten Teilen des Landkreises Rosenheim und fahren jetzt mit Blaulicht in den tiefverschneiten Ort, dessen auf knapp 800 Metern hoch in einem Tal gelegene Außenbezirke sprichwörtlich im Schnee versinken.

Nach einer kurzen Einweisung durch die örtliche Feuerwehr, die seit Tagen gegen die Schneemassen kämpft, werden die einzelnen Gruppen ihren Einsatzorten zugeteilt. Mehr als 150 Dächer von öffentlichen Gebäuden, Wohnhäusern oder Stallungen sind extremen Belastungen durch Schnee ausgesetzt – stellenweise türmt sich die weiße Wand mehr als zwei Meter hoch auf den Dächern. Wie bedrohlich sie werden kann, zeigt sich an einer Mutter-Kind-Klinik im Ort. Der Schnee auf ihrem Dach verursacht einen so starken Druck, dass erste leichte Schäden entstehen. In Windeseile und mit viel Muskelkraft wird daher freigeräumt und die Gefahr kann erfolgreich gebannt werden.

Muskelkraft ist ohnehin das entscheidende Stichwort in diesen Tagen und Stunden. Schon auf der Anfahrt zu den jeweiligen Einsatzstellen lässt sich erahnen, wie mühsam die Arbeit dort sein wird. Darüber können auch das an diesem Tag zunächst vergleichsweise gute Wetter und das großartige Bergpanorama nicht hinwegtäuschen. Sind die Dächer nämlich mithilfe von Steckleitern erst einmal mühsam bestiegen und feste Punkte zur Anbringung der Sicherungsleinen gefunden, stehen die Feuerwehrleute und Kräfte der weiteren Hilfsorganisationen (Bergwacht, Rettungsdienst, Technisches Hilfswerk, Polizei, Wasserwacht, u.a.) sofort tief im Schnee. Lässt sich die oberste Schicht aus Pulverschnee noch vergleichsweise leicht abtragen, wartet in der darunterliegenden schon dichter, schwerer Schnee. Und unter diesem wiederum lastet eine weitere, noch kompaktere und eisige Ebene auf den Ziegeln und Dachstühlen. Sie ist so schwer und verdichtet, dass ein Abtragen kaum möglich ist. Schon die Schicht in der Mitte beansprucht die Armmuskeln und persönliche Kondition enorm und bringt so manchen Schaufelstiel zum Bersten.

„Viel Schnee, auch in dieser Menge“ sei man ja gewohnt, aber „dass er dieses Mal so massiv innerhalb nur weniger Tage gefallen ist, daran kann ich mich in den letzten Jahrzehnten wirklich nicht erinnern“, erzählt ein betroffener Anwohner. Und er muss es wissen, schließlich war er lange Zeit selbst bei der Bergwacht im Ort aktiv. Sechs Stunden lang kämpft die Feuerwehr auf dem Dach seines Hauses und der angebauten Garage gegen den Schnee und schiebt diesen abschnittsweise auf die darunterliegende Straße. Dort wartet ein kleiner Radlader und transportiert den entstehenden weißen Berg sofort wieder ab – es gibt schlichtweg keinen Platz mehr in den engen Siedlungsstraßen, an deren Rand sogar eine Bushaltestelle vollständig im bis zu drei Meter hoch aufgetürmten Schnee versunken ist. „Die Einsatzkräfte verrichten eine unheimlich schwere Arbeit, weil der Schnee sehr nass ist“, betont Kreisbrandrat Richard Schrank.

Mit Einbruch der Dunkelheit – längst hat es am Nachmittag wieder zu schneien begonnen – ist die Arbeit der Feuerwehr dann beendet. Das Dach ist von der großen Schneelast befreit und der einstündige Heimweg kann erschöpft und durchnässt angetreten werden. Zu diesem Zeitpunkt steht längst fest, dass am darauffolgenden Tag erneut der Einsatzbefehl erfolgen wird. Neben weiteren Schneefällen sind durch die Wetterdienste nämlich auch Regenfälle und Tauwetter prognostiziert worden. Somit könnte der feuchte Schnee noch schwerer werden und darüber hinaus Hochwasser entstehen. Es ist also ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem mittlerweile mehrere Tausend Helfer gemeinsam und mit vorbildlichem Zusammenhalt sowie Engagement gegen die Kraft der Natur ankämpfen.

gr